Phoenix – aus einem genialen Schriftzug nichts gemacht
Harburger Traditionsfirmen und ihre Logos, Teil 3: Phoenix
Text: Angela Jansen
(1) Phoenix-Werbung aus den 1930er Jahren
1856 gründeten Albert und Louis Cohen in Harburg die erste deutsche Weichgummifabrik. Über die politische Geschichte der Phoenix schreibt Christian Gotthardt auf dieser Website: Teil 1 (1856-1948) und Teil 2 (1949-2004) In diesem Beitrag geht es um die Logo-Geschichte des Unternehmens.
Das Unternehmen verwendete seit 1864 als Markenzeichen den Vogel Phönix, „der nach der Sage aus seiner Asche immer wieder neugeboren emporsteigen soll“[1]. Ob der Vogel nun das „nicht tot zu kriegende“ Unternehmertum symbolisieren oder eine Assoziation zu den „heißen Prozessen“ der Gummiproduktion herstellen sollte, ist nicht bekannt. Der Phoenix war zunächst noch nicht Teil des Firmennamens. 1872 nannte sich das Unternehmen „Vereinigte Gummiwaaren-Fabriken Harburg-Wien, vormals Ménier – J.N. Reithöffer A.G.“
(2) Seit 1864 war der Phönix-Vogel als Warenzeichen eingetragen.
1920er Jahre: Mit Schwung und Charme – der handschriftliche Phoenix-Schriftzug
Erst 1922 wird der Wappenvogel zum Namensgeber der Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix AG. Die handgeschriebene Wortmarke in verschiedenen Modifikationen bleibt aber nur etwas länger als ein Jahrzehnt das Phoenix-Aushängeschild.
(3): Im Geschäftsbericht 1923 taucht erstmals der prägnante Schriftzug auf.
(4) 1928: Der Schriftzug ist kantiger und kompakter geworden. „A.G.“ ist deutlich besser lesbar.
(5) Oder doch lieber ein bisschen feiner? Schriftzug 1930. Originell: Die Punkte hinter A und G stehen auf der Mittellinie der Buchstaben.
(6) 1934: Nein, kräftiger ist besser (wo ja nun auch Deutschland auf dem „rechten“ Weg war…). Um mit den modernen fetten Futura-Lettern mithalten zu können, musste der Schriftzug wieder kräftiger werden. Bei der Gelegenheit wurde das „P“ verdeutlicht und das „Schwänzchen“ gestutzt. Das verspielte „A.G.“ wich einer massiven Zeile „Aktiengesellschaft“. Harburg-Wilhelmsburg musste auch noch mit hinein, denn so hieß seit 1927 die neue preußische Großstadt, zusammengelegt aus Harburg und Wilhelmsburg.
(7) 1935: Nun hatten sich zu viele Elemente um den Schriftzug herum gruppiert und machten ihm Konkurrenz. Das vierzeilige Monstrum hatte den Logo-Charakter verloren. Darum entschloss man sich, Firmierung und Schriftzug zu trennen. Und wie macht man am einfachsten aus einem Schriftzug ein Logo? Richtig: Rahmen drum herum und fertig. Aber der Umriss in Rautenform sperrte die ausdrucksstarke Schrift ein. So war es nur konsequent, 1936 den nächsten Schritt zu machen: „Schwups“ ist auch der lockere Schriftzug weg! Alles ganz nüchtern in einer schmalfetten Futura gesetzt. Das mag technischer wirken, aber der Charme ist dahin. So war innerhalb von 14 Jahren eine gute Idee schon wieder beerdigt.
Die Raute ist keine besonders originelle Form, aber sie funktioniert: Da sie auf der Spitze balanciert, hat sie eine gewisse Leichtigkeit. Weil sie symmetrisch ist, ist sie zugleich stabil. Wahrscheinlich sollte sie „Gummi“ symbolisieren, denn auch aus der heute üblichen Kennzeichnung der in Schuhen verwendeten Materialien kennen wir sie (allerdings im Hochformat). Dort steht die Raute für die Gummisohle bzw. Kunststoff und sonstige Materialien. Näheres regelt die Schuhkennzeichnungsrichtlinie :-)
Die Raute bildet auch den Rahmen für das Markenzeichen "Viking" der Askim Gummiwarenfabrik in Norwegen. "Viking" kennzeichnete die gesamte Sparte der Endverbraucherprodukte. 1941, nach der deutschen Bestzung Norwegens, stieg die Phoenix bei Askim ein. Aber die Raute hatten die Norweger schon vorher - und ihre Werbung konnte sich auch sehen lassen. Heute noch existiert Viking als Gummi- und Sportschuhhersteller - allerdings mit einem moderenen Logo. Die Reifenmarke Viking ist mittlerweile wie Phoenix von Continental geschluckt. Aber - im Gegensatz zu Phoenix - hat sie als Marke "mit Wikingerimage" überlebt.
(8) Werbung für Viking-Gummistiefel, Norwegen 1936
(9) Naja, nun gibt es ja auch noch die Merkelraute. Will sie uns sagen „Nur mit Gummi“? Oder: „Kauft Phoenix-Produkte“?
Den Beweis, dass eine alte handschriftliche Wortmarke heute und auch morgen funktionieren kann, liefert Coca-Cola. Der 1887 eingeführte Schriftzug ist mit Modifizierungen bis heute in Benutzung.
(10) Coca-Cola-Logo (von links nach rechts): 1887, 1893, seit 2007
Starke Markenwerbung
In den 1920er Jahren war Phoenix eine Marke für alles, was man aus Gummi herstellen konnte, ob Flugzeugreifen, Fördergurte, Gummistiefel oder Schwämme – dementsprechend intensiv waren auch die Werbeanstrengungen. 1923 testete man als erster Reifenhersteller seine neuen Produkte auf dem Nürburgring. 1925 wurden täglich 30000 Paar Gummischuhe produziert.
Die handschriftliche Wortmarke funktionierte gut in der Werbung. Sie gab neuen technischen oder modischen Produkten ein (durch die Handschrift sozusagen persönliches) Qualitätsversprechen mit: WIR machen das (seit 1856). Eigene Produktmarken wie Phoenix Cord nutzten die Phoenix-Schrift ebenfalls und waren so eindeutig dem Unternehmen zuzuordnen. Sogar im Radio wurde die Phoenix-Reifenmarke beworben, mit einem eingängigen Hornsignal und der Melodiezeile „Fahr nur Phoenix Cord – der hält“.
(11) Alles aus Gummi – Phoenix-Werbung in den 1920er Jahren: Von Harburger Schneestiefeln über Gummischwämme („Kauft nur den Gummischwamm“ oder „Der beste Schwamm für Jedermann“) bis zu Flugzeugreifen.
Zwischen Firestone und Conti – die Phoenix-Marke verabschiedet sich in die Unkenntlichkeit
1951 stieg die Firma Firestone bei Phoenix ein. Das Unternehmen nannte sich nun Phoenix Gummiwerke AG. Das neue Logo präsentierte zunächst in einer Doppelmarke beide Firmennamen. Von dieser Doppelmarke gab es verschiedene Varianten.
(12) Die 1952 beim Einstieg von Firestone vereinbarte Doppelmarke. Besonders platt: den Begriff „Phoenix“ in der Raute durch „Reifen“ zu ersetzen.
(13) Nicht gelungen und auch nicht von Dauer – der Versuch, die Doppelmarke im Oval kompakter zu gestalten. Wirkt wie ein Billig-Bieretikett. Anzeige aus den 1950er Jahren.
(14) Auch 1950er Jahre: Schwaches Logo, originelle Werbung. Man beachte die feine Differenzierung in Startkappen (für schwimmende Männer) und Badehauben (für badende Frauen).
Parallel zur Doppelmarke wurde offensichtlich auch die alte Phoenix-Marke benutzt und weiter entwickelt. Hier galt das Prinzip: Immer noch ein bisschen weglassen und am Ende sogar die Charakterschrift Futura durch eine nichtssagende Helvetica ersetzen – so macht man ein Logo kaputt.
Und was wollten uns die Querstreifen sagen? Ein Reifenprofil? Aber warum dann nach unten hin schmaler werdend? Perspektivische Verkürzung? Offensichtlich überzeugten die Streifen auch intern nicht, so dass sie bald wieder verschwanden. 1972 – nach der Trennung von Firestone - dann die konsequente Weiterentwicklung zur Leerform. Dieses Zeichen ist auch dann nicht mehr zu retten, wenn man es – wie auf der aktuellen Phoenix-Website – dreht und spiegelt. Es bleibt eine unverbindliche geometrische Form. Aus Grafikersicht ist das Aufgehen in ContiTech deshalb kein wirklicher Verlust.
(15) 1953–1970: Reifenprofil? Zigarrenbanderole?
(16) 1972: Fetter Schriftzug, leere geometrische Form – gesichtslos und unverbindlich. Die Schrift war schon fast dieselbe wie die von ContiTech. Also: ab ins Markengrab (rechts, 2006) …
Die Logogeschichte der Phoenix ist insgesamt geprägt von Unsicherheit und ständigem Wechsel. Besonders in den Jahrzehnten vor der Verschmelzung mit ContiTech in den Jahren 2004-2006 wandelte sich das Logo bis zur Unkenntlichkeit. Obwohl sicher gut bezahlte Werbegrafiker am Werk waren, gelang es nicht wieder, eine ähnlich starke Wortmarke zu entwickeln wie den Phoenix-Schriftzug. Schade, dass niemand das Selbstbewusstsein besaß, den ursprünglichen flotten Schriftzug behutsam zu modernisieren. Es hätte ein Jahrhundertlogo werden können!
Anmerkungen
[1] L140 Jahre Phoenix, 1856-1996, Hamburg, 1997, S. 2
Bildnachweis
(1) 140 Jahre Phoenix, Hamburg 1996
(2) 100 Jahre Gummi, Phoenix, Hamburg 1957, Bilddteil S. 13
(3) Geschäftsbericht 1923, Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix, Harburg 1924, S. 1
(4) Geschäftsbericht 1927, Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix, Harburg 1928, S. 1
(5) Geschäftsbericht 1929, Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix, Harburg 1930, S. 1
(6) Geschäftsbericht 1933, Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix, Harburg 1934, S. 1
(7) Geschäftsbericht 1934, Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix, Harburg 1935, S. 1 und Geschäftsbericht 1935, Harburger Gummiwaren-Fabrik Phoenix, Harburg 1936, S. 1
(8) Viking, www.vikingfootwear.com
(9) Foto: Armin Linnartz, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Merkel-Raute#/media/File:Angela_Merkel_Juli_2010_-_3zu4.jpg, abgerufen 2.3.2016
(10) https://www.coca-cola-deutschland.de/stories/coca-cola-logo, abgerufen 2.3.2016
(11) 150 Jahre Phoenix, ContiTech, Hannover 2006 (Link: http://www.phoenix-ag.com/pages/historie_de.html)
(12) Samhaber, Friedrich: Hundert Jahre Weltwirtschaft, Freiburg 1956, S. 100
(13) 150 Jahre Phoenix
(14) 150 Jahre Phoenix
(15) Samhaber, Friedrich, Schutzumschlag vorne, und Phoenix-Rundschau, Hauszeitung, 1965 und 1970
(16) Harburger Vogelschießen 1972 und 150 Jahre Phoenix