Balatros – ein Walross im Gummigeschäft

Harburger Traditionsfirmen und ihre Logos, Teil 1

Text und Foto: Angela Jansen
Veröffentlicht:
Januar 2015

Das Balatros-Logo am Firmentor, ca. 1999

Mit dem zum Walross stilisierten B und der massiven Schrift fällt das Balatros-Logo sofort ins Auge. Es entstand 1931, als das Harburger Unternehmen H. Rost & Co. die Marke Balatros schuf. Die von Rost produzierten Transport- und Förderbänder sollten auf dem Markt eindeutig erkennbar und von der Konkurrenz zu unterscheiden sein.

Balata ist ein kautschukähnliches Naturmaterial, das aus dem Milchsaft des südamerikanischen Balatabaumes gewonnen wird. So verknüpft der einprägsame Markenname Produktrohstoff und Hersteller.

Bei der Gestaltung des Schriftzugs orientierte sich der unbekannte Grafiker (oder die unbekannte Grafikerin) an der zwischen 1927 und 1930 entstandenen Schrift „Gill Sans“ des gleichnamigen Schriftengestalters Eric Gill und an der „Futura“ von Paul Renner, die von 1927 stammt. Beide Schriften waren damals Ausdruck einer modernen Typografie, wie sie z.B. im Bauhaus entwickelt wurde. Die gewählten sehr fetten Schriftschnitte symbolisieren die Stärke des bezeichneten Produkts. Wenn man die Einzelbuchstaben des Schriftzugs mit den Originalschriften vergleicht, sieht man, dass der Grafiker jeden einzelnen Buchstaben bearbeitet hat. Besonders deutlich wird dies beim B und beim L, die sich oben etwas breit machen, um die Leerräume zum A besser zu füllen.

Balatros-Schriftzug in Futura und Gill

Balatros-Schriftzug in Futura extrafett (oben) und Gill Sans ultrafett (unten).

In der Logo-Variante mit dem großen Walross, die vermutlich aus der Frühzeit der Marke stammt, ist der Schriftzug noch stärker stilisiert, um der Buchstabenfolge ein gleichmäßiges Aussehen zu verleihen und sie in das dynamisch abgeschrägte Textfeld einzupassen.


Logo aus trade.mar.cx/DE976676/ (Webabfrage 14.12.2014)

Thront heute noch in Wandsbek auf der Fensterbank: die Skulptur des Balatros-Walrosses. Foto: André v. Wettstein

Aber was will uns das Walross sagen?

An seinen Stoßzähnen ist das aus dem B entwickelte Logotier eindeutig zu erkennen. Das Walross lebt im Nordmeer, gehört zur Familie der Robben, nutzt seine großen Stoßzähne, um sich aufs Eis zu ziehen und auch um Muscheln auszugraben und ist von massiger Gestalt (Männchen bis zu 1500 kg schwer!).

Vermutlich sollten Kraft und Stärke visualisiert werden als positive Eigenschaften der Balatros-Treibriemen und Förderbänder. Auch klingt das Wort Walross durchaus verwandt mit Balatros. Gut möglich, dass das sympathische Kraftpaket aus spielerischen Versuchen des Grafikers mit dem Anfangsbuchstaben B entstanden ist. Denn in der wirklichen Welt haben der Meeressäuger aus dem Polarmeer und das Tropengewächs Balatabaum keine Schnittmenge.

Das Walross ist als Logo in den verschiedensten Branchen beliebt:

ndr-alogo alt
NDR-Logo 1984-2001 mit der stilisierten Walrossdame Antje aus Hagenbecks Tierpark


Früheres Logo der kanadischen Zeitschrift „The Walrus“, die sich als Botschafterin eines modernen und kulturell interessierten Kanada versteht. 2019 findet sich nur noch ein Zitat des Tieres im Favicon. Sie beschreibt ihren Namensgeber so: zänkisch aber schlau, massig aber beweglich, wenn auch nur im Wasser (curmudgeonly but clever, bulky but agile - if only in water).

Walrus_Pumps_logo
Logo der taiwanesischen Pumpenfabrik Walrus (Link: http://www.walrus.com.tw)

Sisimiut_Wappen
Inoffizielles Wappen der zweitgrößten grönländischen Stadt Sisimiut – deren Einwohner vermutlich am besten mit den Meeressäugern vertraut sind.

Der unbekannte Balatros-Grafiker war vermutlich der erste, der die Sympathiewirkung des Wallrosses als Werbeträger erkannt hat. Und seine Auftraggeber waren mutig genug, diesen Logoentwurf dann auch auszuwählen.

Die Balatroswerke in Harburg und ihre Produkte

Der Apotheker Heinrich Rost gründete die Firma zusammen mit Friedrich Lambert 1848 in Hamburg-Hammerbrook und zog 1865 nach Harburg. Dort wurde ab 1883 die Fabrik an der Buxtehuder Straße neu gebaut. Das heute noch erhaltene Lagergebäude stammt von 1911, wurde 1930 aufgestockt und steht heute unter Denkmalschutz (Hans-Fitze-Straße 4, früher Küchgarten 40).

Hergestellt wurden vor allem Antriebsriemen und Förderbänder, aber auch Kabelummantelungen und andere Gummiprodukte wie z.B. säurefeste Schürzen. Die zunächst eingesetzten Naturstoffe wie Kautschuk, Guttapercha und Balata wurden nach und nach durch Kunststoffe ersetzt. Intensiv entwickelt wurden Kunststoffprodukte in der NS-Zeit, um sich von überseeischen Rohstoffen unabhängig zu machen. So brachte Balatros 1936 den synthetischen Guttaperchaersatz als Guttasyn auf den Markt. Durch diesen Markennamen sollte sich das gute Image des Naturproduktes auf das unbekannte synthetische Material übertragen. Interessant ist an diesem Markenlogo die Anpassung an die Formideale der Nazis – aus dem A wird ein Krieger, der das Balatros-Walross auf dem Schild trägt und die Unterzeile in Fraktur betont den „deutschen Werkstoff“.

Guttasyn - Logo aus der NS-Zeit
Nach dem Ende der Nazidiktatur musste dann eine Anpassung des Logos her. Dabei entschied man sich dafür, Balatros als Herstellernamen in den Vordergrund zu stellen und das Produkt in einer leichteren Schrift darunter zu setzen, eine Kombination, die auch auf andere Produkte übertragbar war. Balatros ist nun zur Unternehmensmarke geworden, die über den Produkten als Qualitätsversprechen wirkt.

Balatros Guttasyn - Nachkriegslogo
Bis Mitte der 1990er Jahre produzierte die Fabrik in Harburg. Die dann nach Hamburg-Wandsbek verlegte Produktion wurde 2002 geschlossen.

Die Marke und die Produktion von Schürzen aus Guttasyn ist bis heute südlich der Elbe geblieben. 1995 gingen die Markenrechte an die Elbe-Werkstätten über. In Marmsdorf werden von 42 Beschäftigten jährlich rund 80.000 Schürzen hergestellt, die vor Säuren und anderen Flüssigkeiten schützen.

Fotos des Firmengeländes

Balatros ca. 1885

Foto vor 1900? (kann man identifizieren, wo das ist?) Aus: 100 Jahre in Harburg. Aus der Arbeit der Balatroswerke H. Rost & Co., Hamburg 1965


Balatros ca. 1934
Fabrikansicht 1934, gesehen vom Karnapp aus. Rechts das heute noch existierende Gebäude


Balatros 1965
Ansicht 1965, das heute noch stehende Gebäude wieder ganz rechts.
Beide Fotos aus: 100 Jahre in Harburg. Aus der Arbeit der Balatroswerke H. Rost & Co., Harburg 1965

Balatros Luftbild ca. 1972
Luftbild Anfang der 1970er Jahre. Aus: 125 Jahre Balatroswerke H. Rost & Co., Hamburg-Harburg, 1973

Leerstehende Balatros-Gebäude ca. 1999
Leerstehende Balatrosgebäude. Links das heute noch stehende Lagerhaus. Aufnahme vor 1999 (Abriss der restlichen Gebäude). Foto: Angela Jansen

 

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