Die selbstbewussten Aushängeschilder der Ölmühlen

Harburger Traditionsfirmen und ihre Logos, Teil 4: Thörl, Noblée, Hobum

Text: Angela Jansen
Veröffentlicht im November 2016

(1) 1958. Ein selbstbewusster Harburger Blick auf den Hafen – auf dem Turm die Thörl-Raute

Harburg war vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts (welt-)weit bekannt für seine Ölmühlen. Vor dem 2. Weltkrieg verarbeiteten sie die Hälfte der deutschen Produktion. „Hamburg-Harburg war nicht nur das Ölmühlenzentrum Deutschlands, es war auch die bedeutendste Ölzentrale der Welt“. [1] Hier geht es um die Logos von Thörl, Noblée und Hobum.

Thörls Raute

Seit 1861 gab es die Chemische Fabrik Thörl & Heidtmann. Die Harburger Ölfabrik Fr. Thörl wurde am 2.11.1883 gegründet. 1906 entstand als Holding F. Thörl’s Vereinigte Ölfabriken AG, die zunächst stark expandierten. Aber schon 1922 musste Friedrich Thörl von der Leitung seiner Unternehmen zurücktreten. Die Aktienmehrheit übernahm die holländische Van den Bergh-Gruppe. Die neuen Eigentümer verlagerten den Produktionsschwerpunkt auf die Speiseölfabrikation für die Lebensmittelindustrie.[2] 1929 schlossen sich die im holländischen Konzern N.V. Margarine Unie vereinigten Firmen Van den Bergh und Jurgens mit dem Lever-Konzern zusammen: Unilever kontrollierte damit 90% der europäischen Margarineproduktion.[3] Als Marke existierte Thörl in jedem Fall bis in die 1960er Jahre.

Das Thörl-Logo taucht seit den 1930er Jahren auf, wann es genau eingeführt wurde, ist mir nicht bekannt. Es ist ein kompaktes Zeichen, ausdrucksstark und klar, und hat sich über Jahrzehnte nur wenig verändert. Der Schriftzug ist in einer fetten serifenlosen Schrift gestaltet, die der Satzschrift Futura entlehnt ist. Die Ö-Punkte werden spielerisch eingesetzt. Sie korrespondieren mit der Pfeilform im unteren Bereich und visualisieren ganz abstrakt das Tätigkeitsgebiet von Thörl: die Verarbeitung (Aufspaltung) der Rohmaterialien in spezialisierte Produkte nach Kundenwunsch. Eine ganz andere Lesart: „Du übersiehst ganz das Ährensymbol!“, meint mein geborener Harburger. Mir fällt diese Sicht schwer, aber was meinen die Leser?

Thörl Logo 1
(2) 1933. Kleinkarierte Grafiker könnten am Thörl-Logo zweierlei kritisieren: Das „O“ wirkt kleiner als die anderen Buchstaben, weil es nicht, wie bei der Schriftkonstruktion von runden Buchstaben üblich, etwas über die Unter- und Oberkante hinausragt (optischer Ausgleich). Zweitens sind die Ö-Punkte so stark verfremdet, dass ein Unwissender auch Thorl lesen könnte – und das ist ein grafisches „No go“.

Schriftenvergleich Thörl - Standardschriften 
(3) Der Vergleich mit verschiedenen Standardschriften zeigt, dass der Thörl-Schriftzug vermutlich extra für diese Anwendung gezeichnet wurde. Rechts unten sieht man den Schriftzug mit optisch ausgeglichenem Ö (Hauszeitung) im Gegensatz zur Variante ohne optischen Ausgleich (oben).

Thörl Logo 2

(4) 1940. „Andersrum“ wirkt das Logo viel schwächer, weil es sich nicht deutlich vom Hintergrund trennt. Auch sind die senkrechten Bildelemente kräftiger geworden, was die Kreuzform betont, die aber keinerlei Sinn ergibt.

Thörl Logo 3
(5) 1940. Vor lauter Linien wird einem hier ganz schwindelig. Hinzu kommt eine optische Täuschung: Weil dem unteren Feld die dünne Randlinie fehlt und weil er dunkler ist, wirkt er größer. Solche Spielereien werden GrafikstudentInnen normalerweise im ersten Semester abgewöhnt: Ein Logo ist ein Logo und darf nicht zerstört werden, indem man es mit anderen – ähnlichen – Formen kombiniert.

Thörl Hauszeitung 1951   Thörls Ölpresse
(6) 1951. Auf dem Titelbild der Hauszeitung blieb vom Logo nur der Schriftzug übrig. Es wurde ein leichterer Schnitt verwendet, um eine ausgewogenen Kombination zu erreichen. (7) Eine weitere Publikation aus demselben Jahr, aber ganz anders. Vielleicht für eine andere Zielgruppe (Kunden)? Die schwarzen Tropfen lassen einen aber eher an Mineralöl denken als an Speiseöle.


Thörl Logo 4
(8) 1951. Hier hat sich nochmal etwas verändert – und nicht zum Guten. Die schmal-fette Schrift macht das „Ö“ zum Ei, sodass die Assoziation zum runden Mühlstein verloren geht. Auch an den Linienelementen wurde nochmal gebastelt. Im Ergebnis wirkt das Ganze plump und unausgewogen.


Starke Markennamen und informationsorientierte Werbung

Interessant ist bei Thörl, wie fein differenziert die einzelnen Produkte waren. Aus den verschiedenen Rohstoffen designte das Unternehmen Produkte nach Kundenwunsch, die fast immer auch einen eigenen griffigen Markennamen hatten.

Thörl Produktwerbung 1   Thörl Produktwerbung 2
(9) 1939. Weil die Markennamen Qualität ausdrücken sollten, klangen sie wissenschaftlich und schienen aus dem Lateinischen zu kommen. So kombinierte man für die Marken „Aromoll“ und „Arolith“ (Erdnussweich- und -hartfett) den lateinischen Namen der Erdnuss „Arachis hypogaea“ mit moll (von „mollis“ weich, geschmeidig) bzw. lith (von „lithos“ Stein für hart). Das Standard-Speisehartfett hieß  „Thorolit“. Der Name setzte sich zusammen aus dem zu „Thoro“ verlateinisierten „Thörl“ und dem Wortstamm „lit“ (hart).

Die Thörl-Werbematerialien fallen auf durch ihren hohen Informationsgehalt. Es gab um 1930 Jahreskalender für Kunden mit genauen Produktbeschreibungen, Statistiken zum Öl-Weltmarkt, Grafiken zur Herkunft der verschiedenen Ölsaaten oder Diagrammen zur Zusammensetzung von Futterstoffen, die aus den Pressrückständen herstellt wurden. Diese Informationsdichte kennzeichnet die B2B-Kommunikation (B2B = Business to Business – also Kommunikation mit Unternehmen als Kunden, im Gegensatz zur Endverbraucher-Kommunikation). Um Fachleute zu überzeugen, brauchte es neben einem griffigen Produktnamen auch einen angemessenen Preis und gute Produkteigenschaften.


Soja und Mais - Zusammensetzung
(10) 1933. Grafik zur Zusammensetzung von Futterstoffen


Erdnuss-Produktionsländer

(11) 1958. Die Grafik der Erntemonate für Erdnüsse zeigt, dass durch verschiedene Zulieferländer eine ganzjährige Ölproduktion bei Thörl möglich war.


Überwiegend symmetrisch: Die Logos der noch aktiven Harburger Ölmühlen

Eng verbunden mit dem Namen Thörl ist die Firma Noblée, die 1855 zur Erzeugung von Steinkohlenöl für die Stadtbeleuchtung gegründet wurde. Seit 1865 verarbeitete man auch Pflanzenöl. Nachdem im Jahr die Familie Thörl in das Unternehmen eingestiegen war, firmierte man unter dem Namen Noblée & Thörl. Heute gehört N & T zu ADM, einem weltweit agierenden US-Lebens- und Futtermittelkonzern. Das Werk in Harburg ist spezialisiert auf die Herstellung von Spezialprodukten für die Nahrungsmittelindustrie. Rohstoff für die Produktion sind bereits raffinierte Vorprodukte.

Noblee Logo
(12) Das Noblée-Logo in den 1950er Jahren. Eine eher schlichte Lösung, die in der Außendarstellung vermutlich keine wichtige Rolle gespielt hat.Heute produziert der Standort Harburg unter der ADM-Dachmarke.

Hinweis aus Firmenwand
(13) Kleines pfeilförmiges Buchstabenrätsel an der Mauer des Firmengeländes gegenüber der Einmündung der Bissingstraße in die Seehafenstraße. Ob man es jeweils entziffern konnte? Naja, früher fuhren die Autos ja nicht so schnell :-)

Auch Hobum ist am Standort Harburg weiterhin aktiv. Die Fabrik wurde 1896 als Hamburger Ölwerke Brinkman und Mergell (Hobum) gegründet und 1990 an die belgische Vandemoortele-Gruppe verkauft. Cargill erwarb im Jahre 1998 deren europäischen Öl− und Fettraffinationsaktivitäten, auch den Standort Harburg. Hier werden Rohölen wie Palm- und Rapsöl sowie  Halbfertigprodukte wie Olein, Stearin, Kokosnuss-, Palmkern- und Sonnenblumenöl weiterverarbeitet  – für die Nahrungsmittel− und Futterindustrie und für industrielle technische Anwendungen. [4]

Hobum Logo 1972   Hobum Logo 2016
(13) Das Hobum-Logo existiert in einigen Varianten, die sich aber nicht wesentlich unterscheiden. Gestaltungselemente sind auch hier Grundformen wie Kreis und Kreuz. Stabilität wurde durch die nicht besonders originelle Doppelung des Firmennamens erreicht (s.a. Bayer-Logo). Links: 1972. Rechts: 2016.

Anmerkungen:

1   Die Zeit, 21. Juli 1949.

2   Dirk Stegmann: Vom Kaiserreich zum „Dritten Reich“. Die industrielle Entwicklung Harburgs 1900 bis 1937, in: Ellermeyer, Richter, Stegmann (Hg.): Harburg. Von der Burg zur Industriestadt, Hamburg 1988, S.313 f.

3   Ebenda S.323.

4   http://www.cargill.de/de/locations/hamburg-harburg/index.jsp


Bildnachweis:
(1) 75 Jahre Thörl, Hamburg 1958
(2) 50 Jahre Thörl, Harburg 1933
(3) Grafik: Angela Jansen
(4) Thörl-Jahreskalender 1940, Hamburg 1939
(5) Thörl-Jahreskalender 1934, Harburg 1933
(6) Hauszeitung Thörl, Hamburg 1951
(7) Thörls Oelpresse, Hamburg 1951
(8) Thörls Oelpresse, Hamburg Oktober 1951
(9) Thörl-Jahreskalender 1938, Hamburg 1937
(10) Thörl-Jahreskalender 1933, Harburg 1932
(11) 75 Jahre Thörl, Hamburg 1958
(12) Noblee & Thörl GmbH Ölfabriken, Speisefettraffinerien, Hamburg-Harburg : 28. November 1855 - 28. November 1955, Hamburg 1955
(13) Foto: Angela Jansen
(14) Harburger Vogelschießen 1971, Hamburg 1972; Foto: Angela Jansen

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