Lagerhaft für „Politische“

Berichte des Wilhelmsburgers Wilhelm Kors und des Heimfelders Christoph Hirthe

Text: Christian Gotthardt
Veröffentlicht: Januar 2018

(1) Reste des Arbeitslagers Tiste/ Sittensen, dem Haftort von Christoph Hirthe

Aus Kors' Bericht wurde bislang nur ein kurzer Auszug in „die anderen“ übernommen, Hirthes Text war bis vor kurzem unbekannt. Beide Texte sollen hier nun komplett veröffentlicht werden. Gleich drei gute Gründe sprechen dafür. Erstens spiegeln die Texte Erlebnisse und Motive sogenannter einfacher Parteimitglieder wider, deren Wirkungskreis nicht weit über ihren Arbeitsplatz oder ihr unmittelbares Wohnumfeld hinausging. Zweitens zeigen sie nüchtern und detailliert, was politische Haft unter den Nazis bedeutete. Und drittens illustrieren sie eine Harburger Spezialität: Beide Berichterstatter gehörten zu der nicht kleinen Gruppe Sozialdemokraten, die in dieser Stadt Teil des kommunistischen Widerstandes wurden.

 

Wilhelm Kors

Kors (auch Kohrs), am 5. November 1893 in Harburg geboren, arbeitete als „Eisenbahnhilfsrangieraufseher“ (so die offizielle Berufsangabe) beim Reichsbahnhof in Wilhelmsburg. Er war verheiratet und wohnte in der Oeserstraße 1 (1933 umbenannt in Max-Eyth-Straße). Er trat schon früh der Gewerkschaft bei, spätestens 1925 der SPD. 1929 bis 1931 wirkte er als Bürgervorsteher in der SPD-Fraktion des Harburg-Wilhelmsburger Stadtparlaments. 1931 wechselte er zur KPD.

Am 30. Januar 1933 beteiligte er sich an einem Demonstrationszug zum Wilhelmsburger Rathaus: 600 bis 800 Teilnehmer und Teilnehmerinnen/Demonstrierende forderten die Ausgabe von Kohlengutscheinen für Bedürftige. Kors gehörte zur Kommission, die mit der Verwaltung verhandeln sollte. Als die Verwaltung deren Ansinnen rundweg ablehnte, drangen Demonstranten in das Rathaus ein und machten ihren Unmut in den Amtsstuben geltend. Kors kostete dies seine Freiheit, Anfang März wurde er (vermutlich von Beamten der noch überwiegend mit Sozialdemokraten besetzten politischen Abteilung der Harburger Polizei) wegen Aufruhrs verhaftet, saß zunächst in den Harburger und Hamburger Untersuchungsgefängnissen ein, nach seiner Verurteilung Anfang September 1933 bis Mitte Februar 1934 im Zuchthaus Celle, dann bis Juli 1937 in den Konzentrationslagern Neusustrum, Papenburg, Aschendorf, Sachsenhausen. 1944 kam er in der Verhaftungswelle nach dem Hitlerattentat („Aktion Gewitter“) kurz ins KZ Fuhlsbüttel.

Seit 1945 wohnte Kors in Winsen, Am Schützengehölz, später Schmiedestraße 10, und wurde für die KPD in den Kreistag des niedersächsischen Landkreises Harburg gewählt. Nach dem erneuten Verbot der KPD 1956 verfolgte ihn die Staatsanwaltschaft Lüneburg, die sich zu diesem Zweck die Ermittlungsakte der Nazistaatsanwaltschaft am Landgericht Stade in der Rathaus-Sache überstellen ließ. Bundesweites Aufsehen erregte der Versuch der Lüneburger Wiedergutmachungsbehörde im Jahre 1957, Kors wegen seiner legalen politischen Tätigkeit von 1945 bis 1956 seine gerade erst bewilligte Verfolgtenrente zu entziehen.[1]

Kors' Wechsel von der SPD zur KPD ist durch verschiedene kryptische Mitteilungen in der Harburger SPD-Zeitung Volksblatt zeitlich recht gut zu rekonstruieren: Er fand - zumindest innerlich - bereits im Mai/ Juni 1931 statt. Über die Motive gibt es Andeutungen. Das Thema ist komplex, betraf nicht nur Kors, sondern etwa 10 bis 15 % des aktiven Kaders der Harburger und Wilhelmsburger SPD. Ich werde demnächst in einer ausführlicheren Arbeit darauf zurückkommen.

Zum Verständnis der Person Kors und seiner Entscheidung vorab jedoch dies: Auffällig ist eine im April 1931 beginnende massive Unruhe in der SPD-Jugendorganisation „Sozialistische Arbeiterjugend“, verursacht durch Unverständnis gegenüber der offiziellen SPD-Politik, sowohl die nationale Ebene (Tolerierung/ Stützung der unsozialen und undemokratischen Notverordnungsdiktatur Brünings durch die SPD-Reichstagsfraktion) als auch die Lokalpolitik (Rechtsdrift des sozialdemokratischen Bürgermeisters Dudek, Veruntreuungen im örtlichen SPD-Filz) betreffend. Im Ergebnis wechselten im Herbst 1931 viele SAJ’ler zum kommunistischen Jugendverband KJVD oder zum Jugendverband der linkssozialistischen SAP (wie z.B. der damals 2. Vorsitzende der SAJ-Harburg-Wilhelmsburg Gustav Martens).[2]

Für Kors, zu Zeiten seiner SPD-Mitgliedschaft zeitweilig auch hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär, scheinen vor allem die fruchtlosen Debatten in der Vorbereitung des Leipziger Parteitages der SPD (Ende Mai/ Anfang Juni 1931) und dessen Beschlüsse, die auf eine Fortsetzung der Unterstützung Brünings hinausliefen, den Ausschlag für den Parteiwechsel gegeben zu haben.[3]

Dokumentation seines Haftberichts:

Kors verfasste seinen Bericht am 9. Januar 1946 für die Harburger Ortsgruppe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Der Bericht ist im Zentralen Parteiarchiv der SED (heute Teil des Bundesarchivs) überliefert:[4]

 

Bericht über die Haftzeit des Kameraden Wilhelm Kors

Harburg-Wilhelmsburg, Wittestr. 11 II

Am 2.3.1933 hielt ich von der Antifa meine letzte öffentliche Versammlung in Heidenau bei Tostedt ab. Am nächsten Tage den 3.3.1933 wurde ich morgens um 5 Uhr in Schutzhaft genommen. Mit noch mehreren Genossen der KPD wurden wir in das Untersuchungsgefängnis Harburg gebracht. Die Behandlung seitens der für unsere Bewachung eingesetzten Polizeibeamten war gut. Hingegen die der Gefängnisbeamten sehr schlecht. Leider befinden sich die meisten dieser Beamten heute noch im Dienst. Im Juni 1933 kam ich dann ganz unerwartet in Untersuchungshaft. Ich bekam eine Anklage wegen Aufruhr (Anklageschrift 4 J440 33).

Am 1. September hatte ich Termin. Ich wurde zu zwei Jahren Zuchthaus, 5 Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt.

Abschrift aus dem Urteil.

Der Angeklagte Kors hat durch seine führende persönliche Betätigung vor allen Anderen neben Trampenau[5] auf die Menge eingewirkt, dass sie nach Ablehnung der Forderung im Rathaus versammelt blieb und in der geschehenden Weise gegen die Beamten gewalttätig wurde. Nur in diesem Sinne ist auch sein Aufruf an die Menge von der Bank im Flur herab nach Bekanntgabe der Ablehnung zu verstehen. Der Oben wiedergegebene Inhalt seiner Aufforderung ist durch die Aussagen der beiden Zeugen N ö t z e l und R a s p e r bewiesen. Die Einlassung des Angeklagten Kors, er habe den Leuten nur mitgeteilt, ein Entgegenkommen des Magistrats sei nicht zu erreichen, man habe ihm sogar ein Gespräch mit dem Bürgermeister abgelehnt, „Ihr könnt nach Hause gehen“, ist dem widerlegt. Im Übrigen ist aber auch aus dieser von dem Angeklagten selbst wiedergegebenen Darstellung zu entnehmen, dass er keinesfalls beruhigend auf die Masse eingewirkt hat, vielmehr sie in versteckter Form zur Widerstandleistung aufzureizen versucht hat. Der Angeklagte ist dann, als die Menge in das Zimmer von W i t t[6] eindrang, selbst in das Zimmer gegangen, wie er selbst zugibt. Angeblich um Tätlichkeiten zu vermeiden. Keiner der beiden Zeugen hat aber bestätigen können, dass sich der Angeklagte Kors für W i t t eingesetzt hat, als die Menge den Schreibtisch des W i t t umringte, und auf die im Zimmer stehenden Möbel kletterten. Der Angeklagte Kors hat nach Überzeugung des Gerichts als einer der Führer den Gewaltakt der sich im Rathaus in Wilhelmsburg abgespielt hat, mit Vorbedacht in Szene gesetzt. Er war bereits als Leiter der Versammlung in der Filmburg aufgetreten und hat auch der Kommission angehört. Auf Grund seiner Persönlichkeit ragte er vermöge seiner hohen Intelligenz und seiner Rednergabe weit über die übrige Menge hinaus. Er war gewerkschaftlich geschult und in der Behandlung der Massen geübt. Seine Pflicht als verantwortlicher Volksführer wäre es gewesen den Zusammenstoss im Rathause zu verhindern. Er hat sich dagegen im entgegengesetzten Sinn betätigt. Der Angeklagte war daher als Rädelsführer anzusehen. Seine Bestrafung hatte wegen Verbrechen gegen die §§ 114, 115, 115 Abs. 2, 125 Abs. 2 des St.GB zu erfolgen.

 

Nach diesem Urteil wurde ich in die Strafanstalt Celle überführt. Die Behandlung durch die Beamten war bis auf den damaligen Direktor gut. Am 13.2.34 kam ich auf Kommando nach dem Emslandlager 5 Neu-Sustrum.[7] Hier wurden wir von dem Lagerleiter Giese[8] „freundlichst“ in der Form in Empfang genommen, dass er mit blanker Waffe auf uns einschlug, als wir beim Besteigen des sogenannten Brigadewagens denselben umkippten. Der Transport bestand aus 62 Kriminellen und 18 politischen Gefangenen.

(2) KZ Neusustrum, Wache am Lagereingang

 

Die ersten drei Tage bekamen wir im Lager nichts zu essen. Am dritten Tage ging es an die Arbeit[9] mit Schaufel und Karre. Gegen 12 Uhr lag alles platt. Mit Feuerlöschschläuchen wurden wir wieder zum Leben zurückgerufen, indem wir mit Wasser überschüttet wurden. Dann bekamen wir unsere erste Mahlzeit. Falls der Lagerleiter abends betrunken war und das war sehr häufig der Fall, gab es Alarm. Alles musste sofort auf dem Lagerplatz erscheinen. Die Posten hatten vorher die Barackeneingänge besetzt. Sie stürmten auf Signal in die Baracken und trieben uns mit Seitengewehr und Kolbenschlägen aus den Betten und aus den Baracken. So traten wir meistens nur mit Unterhosen bekleidet auf der Lagerstrasse an. Der Kommandant G i e s e (G) mit einem Gummiknüppel bewaffnet schlug aber auf jeden, der nicht vorschriftsmäßig bekleidet war, ein mit dem Bemerken: „Ihr Schweine zieht euch nur deswegen nicht an, weil ihr krankwerden wollt um als nicht lagerfähig in die Anstalt zu kommen“. Man kann sich denken wie lange ein solcher Nachtappell dauerte bis die tausend Mann durchgeprügelt waren. Jeder musste dann in die Baracke um sich anzuziehen, drinnen standen aber wieder die Wachmannschaften, die einen beim Anziehen „behilflich“ waren. Dass ein großer Teil der Gefangenen krank wurde ist wohl selbstverständlich. Zum Revier wagte sich aber keiner. Denn wer nicht krank geschrieben wurde, kam in die Strafkolonie. Und der damalige Arzt Dr. Wagner schrieb niemand krank. Eine Änderung trat erst ein, als ein großer Teil der Kriminellen Löffel geschluckt hatten und ein neuer Arzt aus der Celle kam. Der sofort 159 Mann arbeitsunfähig schrieb. G. unterhielt im Lager eine Frau, die uns viel zu schaffen machte. Eine Sadistin reinsten Wassers. Ihr Hauptvergnügen bestand darin, indem wir für sie Ratten lebendig fangen mussten, diese wurden aneinander gebunden und in den vor der Führerbaracke befindlichen Springbrunnen geworfen. Nun ergötzte sie sich daran, wenn die Ratten eine nach der anderen piepsend allmählich absoffen. G. Hat dann wohl zu tief in die Kameradschaftskasse gegriffen und verschwand. Dann wurde das Leben bis auf singen und Sport machen[10] in der Freizeit einigermaßen erträglich. Bei dem neuen Kommandanten Maue hatte ich durch dessen Stellvertreter erreicht, dass die politischen Gefangenen in ein besonderes Arbeitskommando gehalten wurden. Ich tat es aus dem Grunde, um zu erfahren, wieviel politische Gefangene im Lager waren. Es waren 169 Kameraden. Dieses Arbeitskommando habe ich geführt. Ausserdem hatten wir von der Röhm-Affäre gehört. Ich wollte eine Gruppe zusammenstellen um gegebenenfalls mit dieser zuverlässigen Gruppe eingreifen zu können, denn etwas genaues konnten wir ja kaum erfahren. Wir haben mit diesem politischen Kommando gut abgeschnitten.

(3) Das KZ Neusustrum aus der Luft

 

Im Sommer 1934 kamen wir dann geschlossen nach Lager 2 Aschendorf.[11] Dort blieben wir auch Barackenmäßig zusammen. Der damalige Kommandant S c h m i d t hatte viel für uns über. Alle Kommandiertenstellen ließ er von uns besetzen. Er war überhaupt der beste Kommandant den ich während meiner Haftzeit habe kennengelernt.[11a]

Am 1. September 1935 hatte ich meine Strafe rum. Ich wurde also entlassen. Aber nicht etwa nach Hause ging es, sondern ich war der erste Gefangene, der aus dem Straflager ins KZ wanderte und zwar nach Esterwegen. Ja, nun war ich vom Regen in die Traufe gekommen. Dort ging man nicht zu Fuss ins Lager, sondern musste hineinrobben.[12] Mein schöner Anzug ging zum Teufel. Immerhin des Lagerlebens kundig, hatte ich bald heraus, so schnell wie möglich in der Masse unterzutauchen und raus dem Lager zur Arbeit. Es war die Zeit des Parteitages[13] und da gab es nicht viel Aussenkommandos. Aber ich fand doch noch ein Kommando.

(4) NSDAP-Parteitag 1935

 

Nach drei Wochen kam ich auf Vorschlag des Lagerältesten Hans Beuken[14] in die SS-Küche. Man wollte mir wohl einen Gefallen erweisen, aber die Arbeit in der Küche war unerträglich. Morgens um 4 Uhr aufstehen, bis abends um 8 Uhr unentwegt auf den Beinen. Das Essen das wir kochten, durften wir nicht etwa auch essen, sondern wir bekamen unser Häftlingsessen extra gebracht. Dass wir uns nun illegal schadlos hielten, ist wohl verständlich. Doch das musste alles mit einer Hast geschehen, und was war die Folge, Magenkrank. Ich versuchte aus der Küche herauszukommen, aber es war nicht möglich. Schliesslich flog ich von ganz alleine. Ich wollte nämlich das Schlachten lernen. Denn in der Küche wurde gleichzeitig das Vieh geschlachtet. Weil mir aber der Küchenwachtmeister das verbot, ich aber doch tat, flog ich aus der Küche heraus, mit dem Erfolg, dass ich noch am gleichen Tage Barackenältester wurde. Es fand eine Umgruppierung der Häftlinge insofern statt, dass die Bibelforscher, Juden und Rückfällige auf eine Baracke gelegt wurden. Mit dieser Funktion beauftragt, hatte ich im Interesse der Kameraden eine schwierige Aufgabe zu erfüllen. Denn die Kameraden durften nicht rauchen, konnten nur alle drei Monate RM. 10:- empfangen und mussten die schwersten Arbeiten verrichten. Dass sie besonderen Schikanen der SS ausgesetzt waren, ist nur selbstverständlich. Dank der übrigen Kameraden der übrigen Baracken, die mich mit allgemein wöchentlich RM. 80:- unterstützten, konnte ich viele Kameraden mit Lebensmitteln versehen. Besonderen Dank gebührt die Kameraden H. Frühling Harburg, J. Türka Aachen, M. Tietze, H. Serve, Saalwächter, F. Emmerich Berlin, Dr. Haubach Hamburg u.a.[15]

Wir mussten bei den abgegebenen Berichten[16] feststellen, dass diese sehr oft nicht den Tatsachen entsprachen. Durch Verbindung mit SS-Leuten erhielt ich gegen jede Zensur so einen gegen mich gefälschten Bericht von meiner Frau. Der SS-Mann, der von der Wachtmannschaft fortwollte, gleichzeitig Postwachmeister war, gab mir den Bericht. Nach Rücksprache mit der Fraktion[17] sollte ich versuchen, mit dem neuen Kommandanten Koch,[18] Fühlung zu bekommen, um gleichzeitig den Rapportführer T a r e y unmöglich zu machen. Wie, das war meine Angelegenheit. Ich habe das auch geschafft. Ich konnte dem Kommandanten nachweisen, dass sich der T. von einem jüdischen Kameraden, von dem ich wusste, dass er sich im Auslande befand, ein Motorrad hatte schenken lassen. Dieses meldete ich den Kommandanten. Weiter gab ich Zeugen an, dass T. die Juden, besonders gut bemittelte, über Gebühr in Schutz nahm. Sie brauchten nicht zu arbeiten… Beim Appell stellte er sich dann hin und behauptete, dass ich die in Schutz nehme und die Arier verrecken liess. Bei dieser Gelegenheit unterrichtete ich den Koch, dass über die Gefangenen falsche Berichte abgegeben wurden. Tatsächlich klappte der Laden. Koch fand in der Schreibtischschublade des Tarey einen Brief vor, indem der frühere Häftling Winnig Tarey schreibe, dass er das Motorrad abgeschickt habe. Koch hüpfte weiter auf den Leim, machte eine Eingabe an den damaligen Inspekteur der KZ. E i c k e.[19] Eines Tages trat die SS in Karree an. Wir, also ich und die von mir angegebenen Zeugen mussten ans Tor kommen. Wir dachten wir sollten erschossen werden. Und was ereignete sich, T a r e y wurde degradiert vor unseren Augen. Den grössten Peiniger waren wir los. Denn er war damals das grösste Schwein, welches sich in der SS befand.[20] Auch die Berichte wurden geprüft. Später sind allerdings fast alle Kameraden über den Bock gegangen. Ich nicht, denn der Koch hatte in mich einen Narren gefressen. Wohl hat der Lagerführer[21] versucht, mir das Leben schwerzumachen, aber direkt traute man sich nicht an mich heran. Für das Lager war die Entfernung Tareys ein grosser Erfolg. Vor allen Dingen herrschte unter der SS-Bewachung eine Unsicherheit. Ich habe diese Gelegenheit noch öfters ausnutzen können. Vor allen Dingen später in Sachsenhausen.

(5) Lagerkommandant Karl Otto Koch

 

Eine Lieblingsbeschäftigung des Rapportführers Tarey war, abends nach dem Appell die Arrestzellen aufzusuchen. Jeder Häftling der 25 bekommen hatte, musste die Hosen herunterziehen und sich in gebeugter Haltung, mit dem Gesäss zur Tür gewandt, hinstellen. T. nahm dann die flache Hand und schlug jeden ein oder mehrere Male auf die meistens entzündeten und vereiterten Gesässe. Oder aber er bediente sich dazu des Schulterriemens. Über die besonderen Methoden des allen bekannten Eisernen Gustavs[22] brauche ich wohl nichts zu erwähnen. Schlimm ging es in Esterwegen her, als der berüchtigste G u s t l o f f in der Schweiz ermordet wurde. An dem Tage wurden die Juden mit Hunden derart gehetzt, dass einige Kameraden, als sie nach 4 Wochen entlassen werden sollten, nicht zur Entlassung kamen, weil man sie in dem Zustand wie die Hunde sie zugerichtet hatten, der Öffentlichkeit nicht zeigen konnte. Ein bis zweimal in der Woche bekamen wir Stubenältesten den Auftrag, 5 Kameraden zur Bestrafung zu melden. Nicht in einem einzigen Falle wurde der Befehl von uns durchgeführt. Dafür mussten dann die Stubenältesten zum sogenannten Sport antreten, doch keiner liess sich weichmachen, und so verblieb es immer nur bei der abgegebenen Meldung der B.Ver.[23]

(6) KZ-Inspekteur Eicke zu Besuch in Esterwegen, ca. 1935/ 36

 

Im Herbst 1936 wurde das Lager Esterwegen geräumt und nach Sachsenhausen überführt. Dort war bereits im Vorwege der B.V. Paul Eschert[24] als Lagerältester eingesetzt. Dieser benutzte seine ganze Machtstellung dazu, um den politischen Kameraden das Leben so schwer wie möglich zu machen, zum Vorteil der B.Ver. Ich hatte mich besonders schwer mit ihm überworfen. E. wurde aber in Hinsicht von dem damaligen Lagerführer Weissenborn[25] gestützt. Ich bekam nun den fraktionellen Auftrag, unbedingt mit Eschert ins reine zu kommen dahingehend, das Los unserer Kameraden zu erleichtern. Mir blieb nur eine Möglichkeit, und zwar, E. zu korupieren. Es gelang mir zwei Häftlinge zu finden, die E. Geld gaben, und dafür eine leichte Arbeit zu bekommen. E. ging auf den Leim. Nun kaufte ich mir den E. und hielt ihm vor, dass er bestechlich sei und forderte in jeder Hinsicht mit mir zusammenzuarbeiten. Die Aufstellung der Arbeitspläne jeden Tag mit mir durchzusprechen. Ihm blieb wohl oder übel nichts weiter übrig. Mancher meiner Kameraden haben damals meine enge Zusammenarbeit mit E. nicht verstehen können, das war auch nicht wichtig, die Hauptsache war, unsere Kameraden hatten es wesentlich leichter. Inzwischen hatte ich es mit Hilfe des Stabsarztes des Staatspolizeikrankenhauses Berlin erreicht, dass ich nicht mehr arbeiten durfte. Nun hatte ich Zeit und konnte E. in jeder Hinsicht kontrollieren. Wesentlich erscheint mir zu berichten, dass im Jahre 1936 als 7 BVer ausgerückt waren, 6 davon am gleichen Tage zurückgebracht wurden und des Nachts an Pfähle aufgehängt wurden und zwar mit den Beinen nach oben. Die Pfähle waren mit mehreren 10 zölligen Nägeln versehen in die der aufgehängte Körper zurückfiel, sobald die Häftlinge von einem SS-Mann der Kalfaktor oder sonstige Abkommandierte ins Lager brachte, in beliebter Weise ans Ohr fasste, sie vom Pfahl abzog. Für die damalige Flucht wurden verantwortlich gemacht: Der Stubenälteste, sein Vertreter, der Stubendienst. Der Bett- und Spindmacher. Das Arbeitskommando Sie alle bekamen in der Nacht 25. ganz gleich, ob politischer oder krimineller Häftling. Im übrigen musste das ganze Lager antreten und in strammer Haltung bis am anderen Morgen auf den Appellplatz stehen.

Im September 1937 wurde ich nach Hamburg zur Gestapo überführt und von dort entlassen.

Nachdem ich mich in Wilhelmsburg, wo ich wohnhaft war, zurecht getastet hatte, nahm ich bald die Verbindung mit den früheren Genossen auf. Selbstverständlich wurde alle Vorsicht angewandt. Einige waren m. E. wiederum auch zu vorsichtig und gingen jeder Verbindung verloren. Stark gelitten habe ich in den darauf folgenden Jahren an meinem Magenleiden, das ich mir im Lager zugezogen hatte. 1943 war ich gezwungen, eine Operation nach B i l r o t h II vornehmen zu lassen. Tatsächlich hatte ich in den letzten drei Jahren keine nennenswerten Beschwerden, doch seit einem Vierteljahr macht sich ein sehr schmerzhaftes Gallenleiden bemerkbar.

Bei der Gestapoaktion „G e w i t t e r“ im Juli 1944 wurde ich auch verhaftet. Mein damaliger Chef Herr Scharnberg hat es aber fertiggebracht, mich innerhalb von 14 Tagen wieder freizubekommen. Trotzdem er Mitglied bei den Nazis war, hat er sich entschieden für mich eingesetzt, allerdings war ich damals auch für das Geschäft schlecht bekömmlich.[26]

Dass ich mich nach dem militärischen Zusammenbruch sofort der Arbeiterbewegung zur Verfügung gestellt habe, ist nur selbstverständlich.

H a f t z e i t :

Vom             3.3.1933 2.9.1933      UG.Hamburg                
  3.9.1933 12.2.1934   Zuchthaus Celle  
  13.2.1934 1.3.1935   Lager Sustrum  
  2.3.1935 1.9.1935   Lager Aschendorf  
  2.9.1935 1.7.1937   Esterwegen u. Sachsenhausen  
  4.7.1944 18.7.1944   Kolafu  

 

Hamburg-Wilhelmsburg, den 9.1.1946.

gez. Wilhelm Kors

 

 

Christoph Hirthe

Hirthe, am 8. Mai 1902 in Harburg geboren, ging bei einem Bäcker und Konditor in die Lehre. Im Fabrikarbeiterverband übernahm er die Funktion des Kassierers für Heimfeld. 1930 trat er in die SPD ein, 1932 auch in deren Schutzformation Reichsbanner. 1930 und 1931 fand er Arbeit bei der Hobum, vermutlich war er zeitweilig auch arbeitslos. Er war verheiratet, wohnte damals in der Friedrich-Naumann-Str. 1/409.

1933 beteiligte sich Hirthe am kommunistischen Widerstand, er wurde Organisationsverantwortlicher in der illegalen Heimfelder Stadtteilgruppe. Im Juli 1934 geriet er in Haft, kam mit weiteren Heimfeldern vor das Kammergericht Berlin, das ihn im Prozess Hüllner u. Gen. wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu vier Jahren Zuchthaus verurteilte. Er kam zunächst ins Zuchthaus Celle, wo er mit Gummiknüppeln und Lederpeitschen schwer misshandelt wurde. 9 Monate verbrachte er im dortigen Gefangenenlazarett.

Während seiner Zuchthaushaft wurde Hirthe in das zum Zuchthaus gehörende Außen-/ Arbeitslager Tiste bei Sittensen überstellt. Hier wurden Gefangene aus dem Zuchthaus Celle zum Nutzen der Firma Eugen Stoph & Co. zum Torfabbau und Kultivierungsarbeiten eingesetzt. Ein missglückter Ausbruchsversuch dort im März 1938 brachte ihm im Anschluss an die Zuchthausstrafe weitere Haft im Gefängnis Hannover ein.

1945 lebte er in Harburg in einer Schrebersiedlung, am Vahrenwinkelweg, später Bünte, schließlich Goldene Wiege. Er arbeitete zeitweilig wieder bei der Hobum, später als Arbeiter am Krankenhaus Harburg. Aufgrund der Misshandlungen in der Haft war er oft arbeitsunfähig.

Die Wiedergutmachungsbehörde erkannte 1950 seine Zuchthaushaft als entschädigungswürdig an, nicht aber seine Gefängnishaft. Hirthe legte Widerspruch ein, verfasste zur Begründung die nachfolgend dokumentierten schriftlichen und mündlichen Berichte und erreichte die Anerkennung auch dieser Haftzeit. Er starb am 7. Oktober 1982.[27]

Hier die Berichte:

 

Hamburg-Harburg, 30.7.50

An das Amt für Wiedergutmachung – Sozialbehörde

Habe am 28.7.50 den Beschluss erhalten vom 21.7.50. Möchte hiermit meinen Einspruch geltend machen das mir die Zeit vom 6.8.38 bis 6.3.39 mit in Rechnung gebracht wird, bitte um eine nochmalige Prüfung. Ich möchte den Beweis erbringen, das ich die Flucht aus dem Arbeitslager Tiste das zum Zeller Zuchthaus gehörte nicht aus persönlichen Beweggründen meine Freiheit zu gewinnen sondern es eine politische Notwendigkeit war um aktiv wieder mitzukämpfen den Faschismus zu beseitigen. Im Arbeitslager Tiste hatten wir einen 100% fanatischen Lagerleiter der uns politischen Häftlingen das Leben zur Hölle machte daran waren wir 3 am meisten getroffen die wir geflüchtet waren. Möchte einige Beispiele anführen. Als wir am 1 Mai 1937 morgens antreten mußten zum Appell sollten wir die Hoheitsfahne[28] die aufgezogen wurde grüßen das habe ich verweigert es erfolgte meine Abführung im Anschluß ein sofortiges Verhör in Gegenwart aller Beamte des Lagers wurden folgende Fragen gestellt, weshalb ich bei der Ansprache ständig so ironisch gegrinst hätte und warum ich die Fahne nicht gegrüßt hätte, ich habe den Lagerleiter die Gegensätze und Verdrehung an seiner Ansprache aufgezeigt was auch von einem Hauptwachmeister bestätigt wurde der natürlich kein Faschist war, den Fahnengruß habe ich deshalb verweigert weil ich wußte das kein Gefangener in Zuchthauskleidung die Fahne grüßen durfte das war dem Lagerleiter nicht bekannt es wurde auch nicht wiederholt. Trotzdem aber folgte ein ausführlicher Bericht an den Regierungsrat Marlo[29] Zuchthausvorsteher Celle der dann im Lager erschien und nach der Prüfung mir eröffnete das ich damit rechnen könnte nach Verbüssung der 4 Jahre im KZ zu kommen. Ein anderer Fall, es war mir gelungen durch freie Arbeiter die auch bei uns beschäftigt waren Zeitungen zu erhalten diese gab ich weiter damit alle politisch auf dem laufenden waren ich selbst habe nach dem Mittagessen die Hauptartikel vorgelesen und mein Kommentar dazu gemacht dabei wurden wir von einem Wachmeister überrascht der sofort Meldung machte es wurde als Zellenbildung ausgelegt, ständig wurde ich scharf beobachtet, anschliessend nach der schweren Moorarbeit abends Strafarbeit dazu das schlechte Essen. Da reifte in uns der Plan zur Flucht, aber nicht in die persönliche Freiheit für uns gab es nur eins die Illegalität um den Kampf wieder aufzunehmen zur Beseitigung des Faschismus. Nach meine Entlassung habe ich mich sofort wieder beteiligt. Nach Verbüssung meiner 8 Monate Gefängnis habe ich es lediglich den damaligen Regierungsrat des Hannoverschen Gefängnis der ein ehemaliger Deutschnationaler war und einem Beamten der Harburger Gestapo der 12 Jahre bei der Hamburger Polizei und davon zu Gestapo versetzt war der mein Schulfreund und Lehrkollege und Gegner des Faschismus das ich nicht anschliessend ins K.Z. abgeführt wurde. Meine beiden andern Kameraden sind von Celle gleich ins K.Z. gekommen bis zum Schluss. Ständig habe ich mich während der ganzen Haftzeit frei und offen als Gegner des Faschismus bekannt das besagt meine Akte im Zeller Zuchthaus die mir ein Beamter bei der Entlassung kurz vorgelegt hat. Ich glaube das der Prüfungsausschuss durch diese Zeilen zu einem anderen Entschluss kommen wird. Für einen aus der Haft entflohenen politischen Gefangenen gab es nur eins im Faschistischen Deutschland, den Kampf aufnehmen bis zum Siegreichen Ende.

Christoph Hirthe

Hamburg-Harburg

Rosenweg 34

Vahrenwinkel  

 

 

Dr. We/Pa

Aktenzeichen:                       Hirthe            Hamburg, den 15.11.1951 (handschriftl. 44)

Der Antragsteller erklärt persönlich:

Die Zustände in der Strafanstalt Celle waren unerträgliche. Ich war zusammen mit zwei anderen politischen Häftlingen, und zwar Franz Bergs[30] und Rudolf Welskopf.[31] Uns drei hatte man besonders aufs Korn genommen, weil wir nicht alles stillschweigend hinnahmen. An uns wurden Disziplinarstrafen vollzogen, wenn unsere Arbeitsleistungen nicht dem Pensum entsprachen. Wir wurden dann in Einzelhaft gesetzt, und zwar in Zellen, deren Zustand für die Unterbringung von Menschen völlig ungeeignet war. Wir mussten nach beendeter Arbeitszeit „Nachexerzieren“. Hierfür waren Beamte abgestellt, die auf Grund ihrer politischen Einstellung für die Durchführung solcher Aufgaben besonders geeignet waren. Alle diese Maßnahmen richteten sich ausschließlich gegen uns politische Häftlinge, vor allem gegen uns drei. Die kriminellen Häftlinge waren viel willfähriger. Sie wurden auch von den Aufsehern und der Gefängnisleitung gegen uns ausgespielt, sodaß sie von irgendwelchen Strafmaßnahmen dieser besonderen Art nicht betroffen wurden.

(7) Rudolf Welskopf

 

Als wir in Tiste bei Sittensen zur Aussenarbeit eingesetzt waren, kamen wir mit freien Arbeitern in Berührung. Diese verschafften uns Zeitungen, die wir ihren politischen Inhalt hin durcharbeiteten. Hierbei wurden wir abgefasst. Der Vorgang ging nach Celle. Außerdem hatte ich am 1.5.1935 die Hakenkreuzfahne nicht gegrüsst. Auch deswegen schwebte ein Verfahren gegen mich. Ausserdem hatte ich Kritik an einer Rede des Lagerkommandanten anlässlich des 1. Mai geübt, wofür ich ebenfalls geradestehen musste. Es kam hinzu, dass wir befürchten mussten, nach Verbüssung der Strafhaft einem KZ-Lager überwiesen zu werden. Alle diese Momente veranlassten uns schließlich, von der Aussenarbeit zu fliehen.

Ich war damals verheiratet. Kinder hatte ich nicht.

Der Lagerkommandant sowie die Häftlinge, die die Prügelstrafe an uns vollziehen mussten, wurden auf Grund unserer eingehenden Schilderungen der Verhältnisse in der Verhandlung vor dem Landgericht Stade verlegt bzw. ihrer Stellen enthoben.

Geschlossen:

Unterschrift

(Dr. Westheimer)

Regierungsrat

 

Bildnachweis

(1) http://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutz/schutzgebiete/einzelnen_naturschutzgebiete/45384.html

(2) Wikipedia

(3) Wikipedia

(4) http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/reichsparteitage-der-nsdap/

(5) Klausch, Tätergeschichten

(6) Archiv Sachsenhausen

(7) http://www.stade.vvn-bda.de/welskopf.htm

 

Anmerkungen

[1][ Kors Lebensdaten sind entnommen seiner Staatsanwaltlichen Ermittlungsakte (Staatsarchiv (StA) Stade 171 a 219 I, III u. IV), der Gefangenenkartei der Emslandlager (Staatsarchiv (StA) Oldenburg Best. 140 – 5 Acc. 7/88 Nr. 50) und dem VVN-Bestand im Bundesarchiv (BA Berlin BY 5 V 279/ 81). Siehe auch die anderen, S. 75, 78, 144 f., 315, 323. Zu dem besonders ausgeprägten Verfolgungseifer der nazibelasteten Justizorgane am Landgericht Lüneburg vgl. VVN-BdA Lüneburg (Hg): Das Landgericht Lüneburg als „Spitze der justizförmigen Kommunistenverfolgung“ der 1950er/ 1960er Jahre, Teil I, Das Personal, Lüneburg 2015, Teil II , Verfahren-Prozesse-Angeklagte, Lüneburg 2017. Zur Rentensache vgl. Barkhausen, Hans: Keine Rente für Kommunisten? In: Die Zeit v. 22.8.1957.

[2] Volksblatt v. 2.5.1931, 16.5.1931.

[3] Volksblatt v. 19.6.1931.

[4] BA Berlin BY 5 V 279/ 81. Es handelt sich um einen 5-seitigen Schriftsatz in sauber ausgeführter Maschinenschrift. Zu vermuten ist, dass Kors den Bericht anhand eines eigenen handschriftlichen Manuskripts im VVN-Büro diktiert hat. Offensichtliche Tippfehler wurden in der obigen Fassung korrigiert, sämtliche sprachlichen Eigenheiten aber belassen.

[5] Richard Trampenau (geb. am 20. Juli 1910), KPD, war an der Rathaus-Aktion beteiligt, aber seinerseits wegen einer Schießerei am Folgetag am Rande einer Stahlhelmdemonstration in Wilhelmsburg als Hauptangeklagter vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft operierte in diesem Fall zunächst ‚erfolgreich‘ mit einer Anklage wegen Mordversuchs, insofern brauchte sie keine weiteren Belastungsgründe gegen Trampenau und konnte die Rathaussache überwiegend Kors in die Schuhe schieben; zum Prozess Trampenau siehe die anderen, S. 75 – 78.

[6] Vermutlich Ludwig Witt, Magistratsinspektor in der Sozialverwaltung.

[7] Im Folgenden werden einige in den Berichten erwähnte Sachverhalte und Personen in den Fußnoten kurz erläutert. Für weitergehende Interessen sei generell empfohlen: Lüerßen, Dirk: „Wir sind die Moorsoldaten“ Die Insassen der frühen Konzentrationslager im Emsland 1933 bis 1936, Osnabrück 2001; PDF: https://d-nb.info/980113946/34 (1.12.2017); Klausch, Hans-Peter: Tätergeschichten. Die SS-Kommandanten der frühen Konzentrationslager im Emsland, Bremen 2005; Osterloh, Jörg/ Wünschmann, Kim (Hg). "... der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert." Häftlinge der frühen Konzentrationslager 1933 - 1936/37, Frankfurt/ M. 2017.

[8] SA-Führer Hans Giese, Lagerkommandant in Neusustrum vom 20. Dezember 1933 bis April 1934, berüchtigt wegen seines Sadismus und seiner Mordbefehle. Vgl. Klausch 2005, S. 283, 286.

[9] Kultivierung von Ödland in den Emsländer Mooren durch tiefes Umgraben und Ausheben von Entwässerungsgräben und Versickerungsbecken (Rigolen).

[10] Lagerjargon für bestimmte Quälrituale; Lüerßen 2001, S.120 f.

[11] Neusustrum war als KZ (unter SS- und SA-Regime) aufgelöst worden und diente in der Folge der preußischen Justiz als Strafgefangenenlager. Die politischen Häftlinge in Neusustrum kamen nach Aschendorf; http://www.gedenkbuch-wuppertal.de/de/ort/neusustrum (15.12.2017).

[11a] Diese überraschend positive Bewertung der Person Waldemar Schmidt kennzeichnet auch Zeugnisse anderer Häftlinge; vg. Klausch 2005, S. 283 f.

[12] Eine im KZ Esterwegen übliche Spezialschikane: Die Häftlinge mussten sich über Schotter und Matsch hunderte Meter weit hinwegrollen, teilweise täglich, je nach Kommando seitlich oder kopfüber; dies wird eindrücklich beschrieben in einem Bericht des Häftlings Heinrich Kroes, in: https://eservice2.gkd-re.de/selfdbinter320/DokumentServlet?dokumentenname=545-743fieldDokument1.pdf (14.12.2017).

[13] Gemeint ist der „Reichsparteitag“ der NSDAP im September 1935. Als Jubelveranstaltung zog er zahlreiche SS- und SA-Leute ab.

[14] Richtig: Hans Boyken, nach Esterwegen später Kapo in den KZ Sachsenhausen und Neuengamme, politischer Gefangener aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Strasser-Flügel der NSDAP; vgl. Langwithz-Smith, Peter: Neuengamme - Koncentrationslejren - 1938-1945, København 2012; KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg): Konflikte um das Verhalten von Funktionshäftlingen und Auseinandersetzungen zwischen „Politischen“ und „Kriminellen“ im Hauptlager Neuengamme, in: http://media.offenes-archiv.de/ha4_2_3_thm_2425.pdf (14.12.2017).

[15][ Heinrich Frühling (geb. am 27. April 1899) war Arbeiter, Leiter der illegalen Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) Harburg-Wilhelmsburg, wohnte Hohlweg 47 a (heute Nobleestraße) in Heimfeld und war Kors aus der Gewerkschaftsarbeit bekannt; die anderen, S. 88 f. Ernst Saalwächter (geb. 18. August 1897 in Neuss), KPD, war später in Neuengamme inhaftiert und wurde dort Lagerältester. Theodor Haubach, Sozialdemokrat, war in den 1920er Jahren Redakteur des Parteiblatts Hamburger Echo gewesen. Türka, Tietze, Serve und Emmerich konnten nicht identifiziert werden.

[16] Kors meint hier vermutlich Berichte der Rapportführer zur „Führung“ der Gefangenen, die in deren Personalakten eingingen und zur Begründung von Haftstatus und Haftdauer herangezogen wurden, wohl auch bei der Beantwortung von Anfragen Angehöriger.

[17] Kors meint hier die kommunistische Gruppe innerhalb des oppositionellen Häftlingsnetzwerks.

[18] Karl Otto Koch (geb. 2. August 1897), vordem Kommandant der Folterzentrale Columbiahaus in Berlin, wurde im April 1936 Kommandant im KZ Esterwegen, im Juli 1936 Lagerkommandant in Sachsenhausen und Juli 1937 Lagerkommandant in Buchenwald und dort 1945 wegen Korruption und Mordes von der SS hingerichtet.

[19] Theodor Eicke (geb. 17. Oktober 1892).

[20] SS-Oberscharführer Karl Tarrey. Auch Henrich Kroes berichtete über Tarrey; siehe Anm. 12. Ein Strafverfahren gegen ihn wurde 1962 eingestellt: Lüerßen 2001. S. 74.

[21] Lagerkommandant und Lagerführer waren nicht identisch. Kommandantur, politische Abteilung, Schutzhaftlager, Verwaltung und Lagerarzt unterstanden dem Lagerkommandanten. Dem Lagerführer unterstand das Schutzhaftlager; Lüerßen 2001, S. 68.

[22] SS-Hauptscharführer Gustav Hermann Sorge.

[23] BV war die Kennzeichnung der sog. kriminellen Schutzhäftlinge, sie bedeutete „Befristete Vorbeugehäftlinge“. Volksetymologisch ist daraus - bis heute – „Berufsverbrecher“ geworden.

[24] Der Harburger Harry Naujoks erinnert ihn in seinen Erinnerungen an das KZ Sachsenhausen (vgl Harry Naujoks auf dieser Website) als Xaver Eschert. Naujoks wurde später in Sachsenhausen selbst Lagerältester.

[25] Richtig: Jakob Weiseborn (geb. 22. März 1892); er wurde später Kommandant des KZ Flossenbürg und brachte sich im Januar 1939 in seinem dortigen Büro um.

[26] Gemeint: abkömmlich.

[27] Hirthes Lebensdaten sind seiner Prozessakte (Bundesarchiv (BA) Berlin, Bestand IML, FBS 110, Nr. 2402, Nr. 3060), dem VVN- Bestand im Bundesarchiv Berlin (BA Berlin BY 5 V 279/ 81) und seiner Wiedergutmachungsakte (Staatsarchiv Hamburg (StAH) 351-11 Nr. 25903) entnommen. Siehe auch die anderen, S. 52, 65, 108 ff., 123.

[28] H. meint damit die Hakenkreuzfahne.

[29] „Von 1934 bis 1939 wurde das Zuchthaus von Otto Marloh geleitet. Seine "Qualifikation": Er hatte als Befehlshaber eines konterrevolutionären Freicorps 1919 in Berlin 29 wehrlose Matrosen einer Volksmarinedivision umbringen lassen.“ Zit.n. https://www.celle-im-nationalsozialismus.de/stationen/stadtrundgang/zuchthaus-und-sicherungsanstalt (15.12.2017).

[30] Bergs ist nicht eindeutig zu identifizieren. Sehr wahrscheinlich aber handelt es sich um den in Krefeld am 18. Februar 1910 geborenen Franz Bergs, KPD, der seine von 1933 bis 1945 dauernde Haft überlebte, noch in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik aktiv war, wieder mehrfach in Haft kam und schließlich der Verfolgung als Kommunist 1966 durch Übersiedlung nach Rostock entging. Er starb am 16. September 1979; http://www.vvnbda-rostock.de/wp-content/uploads/2011/11/denkmal.pdf (31.12.2017).

[31] Hirthes zweiter Fluchtgenosse Rudolf Welskopf (geb. am 26. August 1902 in Borstel), auch er ein ehemaliger Sozialdemokrat, der 1930 in die KPD eintrat, war der Kopf der Buxtehuder Filiale des illegalen KPD-Unterbezirks Harburg und mit Hirthe in dieselbe Verhaftungswelle geraten. Er blieb nach seiner Haftstrafe dauerhaft im KZ Sachsenhausen. 1944 gelang es ihm, aus einem Außenkommando zu entfliehen und sich im Raum Berlin zu verbergen. Er starb am 17. Januar 1979 in Berlin/ DDR. Welskopf schrieb als Hirthes Leumundszeuge im Mai 1951 an die Hamburger Wiedergutmachungsbehörde, dass ihr gemeinsames Fluchtmotiv gewesen sei, in die Illegalität oder nach Spanien in den Bürgerkrieg zu gehen; StAH 351-11 Nr. 25903. Vgl. hierzu Harburger im Spanischen Bürgerkrieg auf dieser Website.

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